Bereits kurz nach der Entdeckung von C/2017 K2 (PANSTARRS) vor zwei Jahren war klar, daß es sich um einen ungewöhnlichen Kometen handeln würde. Noch nie wurde ein Komet so zeitig im Anflug systematisch fotometrisch beobachtet und so fand sich schnell ein kleines Team zusammen, diese Herausforderung anzunehmen: Andreas Beck, Roland Fichtl, Steffen Fritsche, Thomas Lehmann.
Hier ist nun ein Bericht unserer ersten Ergebnisse.
Der Komet C/2017 K2 (PANSTARRS) wurde im Mai 2017 bei einer Sonnenentfernung von 16 Astronomischen Einheiten (AE) entdeckt. Später konnte er sogar auf Aufnahmen des CFHT aus dem Jahr 2013 (bei 24 AE) gefunden werden. Er ist damit der am weitesten von der Sonne beobachtete Komet im Anflug auf das innere Sonnensystem.
Um so erstaunlicher ist die Tatsache, daß selbst auf den Aufnahmen von 2013 bereits kometare Aktivität in Form einer Koma nachgewiesen wurde. Wegen der niedrigen Temperatur in dieser Entfernung muß ein großer Vorrat an sehr leicht flüchigen Gasen vorhanden sein, die eine Koma bilden können. Man vermutete deshalb, daß der Komet in sehr ursprünglichem Zustand seine erste Annäherung zum Sonnensystem absolviert.
Spätere Messungen der Bahndaten und darauf basierende Modellrechnungen legen jedoch nahe, daß der Komet nicht dynamisch neu ist, sondern bereits mehrmals ins innere Sonnensystem gelangte (siehe z.B.
https://arxiv.org/abs/1802.10380).
Der Komet wird erst in 3 1/2 Jahren seine größte Helligkeit erreichen und wenigstens noch zwei Jahre eher unattraktiv erscheinen. Trotzdem wollten wir die Aktivität bereits jetzt, in großer Sonnenentfernung fotografisch erfassen, da nicht bekannt ist, wie die Helligkeitsentwicklung dort verläuft.
Verwendet wurden Teleskope zwischen 40cm und 10cm Öffnung, fast ausschließlich in Verbindung mit DSLR-Kameras von Standorten sehr unterschiedlicher Himmelsqualität (Roland beobachtet in ländlichen Umgebung, ich aus dem Stadtzentrum von Weimar heraus). Bei einer Helligkeit des Kometen von ca. 18. Größe würde es an die Grenzen des Machbaren gehen, insbesondere da die meisten Aufnahmen mit den kleineren Teleskopen entstanden.
Die Aufnahmen wurden fast ausschließlich mit der Software AIRTOOLS ausgewertet. Dabei wird eine - im Vergleich zu visuellen Schätzungen - große Apertur verwendet, um möglichst das gesamte Licht der Koma zu erfassen. Gemessen wurde der grüne Farbkanal. Bei CCD Aufnahmen wurde ebenso mit breitbandigem Grünfilter aufgenommen. Dafür gibt es zwei wichtige Gründe:
- Die Gaskoma ist besonders hell im grünen Spektralbereich.
- Die Festlegung auf einen begrenzten Spektralbereich verringert systematische Unterschiede durch verschiedene spektrale Empfindlichkeit der Aufnahmesysteme (insbesondere bei CCDs).
Die Helligkeit wurde mit einer Vielzahl an Katalogsternen (ca. 200 je Beobachtung) unter Verwendung eines Farbkorrekturterms kalibriert. Es zeigte sich, daß alle
Aufnahmesysteme ihren spektralen Schwerpunkt sehr nahe bei V haben (etwa 0.1*(B-V) in Richtung Blau verschoben). Die Daten der so gewonnenen, visuell-ähnlichen Gesamthelligkeit sind in Abbildung 1 dargestellt.
Die Bestimmung der Parameter der Lichtkurve erfolgt gemäß dem Modell
Code:
m = m0 + 5log(D) + n*2.5log(r)
m ... scheinbare Helligkeit des Kometen
D ... Entfernung Erde-Komet
r ... Entfernung Sonne-Komet
m0 ... absolute Helligkeit des Kometen
n ... Aktivitätsparameter
und ergibt
m0 = 1.33+-0.04
n = 3.9+-0.5
Die beobachtete Aktivität liegt somit dicht am Wert von n=4, der bei neuen Kometen anfänglich oft angenommen wird. Es ist erstaunlich, daß bereits in der Entfernung von 16 bis 12 AE eine derart starke Komaentwicklung - d.h. Zunahme der Sublimation von Gasen - stattfindet.
Die Meßwerte zeigen erwartungsgemäß eine relativ hohe Streuung von 0.3mag. Die Messungen mit großen Aperturen haben zwar den Vorteil der geringen systematischen Verfälschung des Mittelwertes, jedoch machen sich die Unsicherheiten der Bestimmung des Hintergrundes immer stärker bemerkbar. Anders ausgedrückt: der Kontrast von mittlerer Kometenhelligkeit in der Meßapertur zum Hintergrund sinkt.
Aus diesem Grund haben wir eine zweite Helligkeitsbestimmung mit deutlich kleinerer Apertur vorgenommen. Dafür wurde ein konstanter Wert von 140000 km Durchmesser am Ort des Kometen festgelegt, entsprechend 12 bis 16 Bogensekunden Winkelausdehnung über den Zeitraum der bisherigen Beobachtungen. Unter der Annahme eines gleichmäßigen Abströmens des Gases vom Kometenkern wäre die heliozentrische Helligkeit m-5log(D) (genauer: nach Umwandlung in Intensität) direkt proportional zur Gasproduktion. Diese wäre also nach einer "Eichung" bestimmbar, ähnlich der Bestimmung der Staubmenge nach Afrho. Man kann erwarten, daß die Lichtkurve bei Verwendung einer konstanten, kleineren Apertur
- eine systematisch niedrigere Helligkeit aufweist (im Vergleich zur Gesamthelligkeit, gemessen mit großer Apertur)
- eine geringere Streuung der Einzelmessungen aufweist und damit gegebenenfalls kurzfristigere Helligkeitsschwankungen preisgibt
- der Aktivitätsparameter niedriger ausfallen wird, wenn die Koma sich real (am Ort des Kometen) ausdehnt, da ein immer größerer Gasanteil nicht mit gemessen wird
Die Komahelligkeit innerhalb von d=140000km ist in Abbildung 2 dargestellt:
Als Modellparameter erhalten wir jetzt
m0 = 3.08+-0.02
n = 3.4+-0.2
und die Einzelmessungen streuen mit 0.13mag - eine deutliche Verringerung des zufälligen Fehlers. Im Rahmen der Meßgenauigkeit gibt es keine Abweichungen vom stetigen Helligkeitsanstieg, der durch die Modellkurve beschrieben wird. Der Aktivitätsparameter ist statistisch nicht signifikant kleiner als bei Messungen mit großer Apertur. Aus der Zunahme der heliozentrischen Helligkeit im Berichtszeitraum um 1.2mag ergibt sich ein Anstieg der Gasproduktion um den Faktor 3.
Der Komet C/2017 K2 wird auch von anderen Beobachtern systematisch verfolgt. In der COBS Datenbank werden eine Reihe von fotometrischen Ergebnissen aus CCD-Beobachtungen gelistet. Diese erfolgten zumeist ohne Verwendung von Filtern und mit Teleskopen von 50cm Öffnung und mehr. (Abbildung 3):
Ein Vergleich dieser Beobachtungen mit unseren eigenen Messungen der Gesamthelligkeit zeigt deutliche Differenzen:
- die filterlosen CCD-Beobachtungen sind heller und das, obwohl überwiegend mit deutlich kleinerer Apertur gemessen wurde (soweit angegeben)
- der Anstieg der Lichtkurve verläuft deutlich flacher (n=1.4+-0.9), selbst bei Auslassung des stark abweichenden Wertes im Juli 2017 (n=2.0+-0.7)
Eine Ursache für die helleren CCD Helligkeiten anderer Beobachter ist die häufige Verwendung von R-Helligkeiten der Kalibrationssterne. Leider ist aus den ICQ-Records oft nicht der verwendete Farbkanal des jeweiligen Sternkatalogs ersichtlich, der Name des Katalogs allein ist dazu nicht ausreichend.
Der flachere Anstieg hingegen ist vermutlich auf die sehr weit ins Rote reichenden Empfindlichkeit der CCDs zurückzuführen und den damit verbundenen viel stärkeren Einfluß des Staubanteils in der Koma. Die Staubentwicklung ist bisher vermutlich eher gering. Wenn filterlos beobachtet wird, sind zudem starke Unterschiede zwischen unterschiedlichen Sensoren wahrscheinlich. Da außerdem auch unterschiedliche Auswertemethoden und stark unterschiedliche Aperturgrößen zum Einsatz kamen, entsteht eine relativ hohe Streuung der Meßwerte.
Zusammenfassend können wir sagen, daß die gewählte Beobachtungs- und Auswertungsmethode durchaus geeignet erscheint, selbst mit vergleichsweise bescheidenen instrumentellen Voraussetzungen zu brauchbaren fotometrischen Ergebnissen zu gelangen - selbst bei einem Kometen der 18. Größenklasse. Der Komet C/2017 K2 hat sich in den zurückliegenden beiden Jahren unerwartet gut entwickelt. Es wird sehr spannend, wie die Helligkeitszunahme weiter verläuft, wenn bei zunehmender Annäherung an die Sonne die Sublimation weiterer Gase beginnt. Eine Extrapolation mit aktuellen Aktivitätsparametern führt zu einem Helligkeitsmaximum von 6+-1 mag. Auch wenn der Komet dann nicht in unseren Breiten sichtbar ist, hoffen wir, mit diesem Bericht Ansporn zu langfristiger kontinuierlicher Beobachtung zu geben.
Danke an alle Mitstreiter,
Thomas
PS: Danke auch an M. Büchner und F. Niebling, die eine Beobachtung im Oktober 2017 beigesteuert haben!