Hallo Thomas,
ich hoffe, ich muss nicht jede Aussage hier im Forum mit Quellenangaben wissenschaftlicher Publikationen untersetzen. Ich schreibe hier ja nicht, um absichtlich irre zu führen, sondern um auch Informationen beizusteuern, die anderen Nutzen bringen. Letztlich ist dies ein Amateurforum und kein "refereed journal". Dies würde mir die Motivation hier arg vergällen, wenn jede Aussage mit der Quellenkeule in Frage gestellt würde. Und diese zu jeder Aussage hier beizustellen wäre mir definitiv zuviel Arbeit. Da stehe ich lieber draußen und beobachte.
Weiter oben in Uwe's Ursprungsposting, zugegeben, etwas versteckt, die MOID (Mean Orbital Intersection Distance) zu Jupiter:
gb00234
Perihelion 2019 Dec 9.544762 TT = 13:04:27 (JD 2458827.044762)
Epoch 2019 Sep 10.0 TT = JDT 2458736.5
Ju: 0.5426 Meyer
Mittlerweile auf 0.755 gestiegen. Siehe
https://www.projectpluto.com/temp/gb00234.htm#elements (Bill Gray)
Das Problem mit einem störenden Körper noch weiter draußen (Edgeworth-Kuiper Belt oder weiter) ist natürlich, dass deren Geschwindigkeiten sehr langsam sind, wenige km/s. C/2019 Q4 hat über 30 km/s. Das funktioniert nicht. Es ist so, als würde man einen Ball sanft an eine Wand werfen und er extrem schnell zurück kommt, wie Bill Gray es in dem oben genannten Link schön erklärt hat.
Die Erklärung mit Ausgasung des Kometen, also der nicht-gravitativen Kräfte (nach Marsdens Modell mit A1 und A2, Vertikal- und Transversalbeschleunigung), würde bedeuten, dass wir Beschleunigungen bei dem Objekt hätten, die sehr viel größer sind, als sie je bei Kometen beobachtet wurden. Diese kontinuierlich aufrecht zu erhalten, um diesen Energieüberschuss zu erzeugen, würde tatsächlich einen Antrieb benötigen...
<<Wie unterschiedlich sind denn die Wahrscheinlichkeiten? 1:10 oder 1:1 Million? Ohne Zahlen ist das ein Problem.>>
Die kann ich Dir nicht liefern. Sicherlich kann man dazu im ADS ein Paper finden. Die Grundaussage ist doch nur, und da wirst Du mir sicher zustimmen, dass bei unterschiedlicher Dichteverteilung die Richtung mit der höheren Dichte die größere Wahrscheinlichkeit aufweist. Nochmal, dies ist ein unterstützendes Indiz, kein Beweis. Sicher, die definitive Zahlenwerte spielen eine Rolle, um das Ganze greifbarer zu machen.
Die nächsten Wochen werden mehr Sicherheit bringen. Vielleicht werden auch völlig andere Erklärungen gefunden, an die bisher keiner auch nur denkt. Es hört ja nicht am Tellerrand auf.
Allerdings habe ich noch eine völlig subjektive Bemerkung zu machen: Üblicherweise ist es normal, wenn neu entdeckte Kometen mit kurzem Bahnbogen (besonders weit entfernte) eigenartige Bahnen in der Berechnung zeigen. Bei Kometen greift man besonders bei unklarer Exzentrizität zu dem Mittel, erstmal e auf 1 zu fixieren. Im Normalfall konvergiert dann die Exzentrizität in den folgenden Tagen relativ schnell - entweder in Richtung 1 oder deutlich kleiner 1, also kurzperiodisch. Bei den e=1 (parabolischen) Kometen liegen dann die Werte knapp unter oder über 1. Das können dabei nur wenige Prozent oder auch Promille sein. Deshalb wartet man dann einige Monate, um die Exzentrizität genauer bestimmen zu können. (Leider macht das MPC das nicht mehr so, seit Brian tot ist. Da werden Exzentrizitäten und die anderen Bahnelemente mit mehrstelliger Genauigkeit angegeben, ohne Angabe der Erweiterten Messunsicherheit.) - Egal, der Knackpunkt ist, dass nach ca. 1 Woche die Exzentrizität meist auf 1% bekannt ist.
Ich hatte in 20 Jahren Bahnrechnung von solchen neuen Kometen noch nie einen Fall (außer Oumuamua) bei dem nach 12 Tagen eine Exzentrizität von über 3 immer noch vorhanden war. Deshalb wage ich mich hier einmal vor und sage, dass sich das auch nicht weiter stark ändern wird. Die Qualität der Astrometrie ist mittlerweile einfach zu hoch.
Wie gesagt, subjektive Einschätzung.
Viele Grüße
Maik